LEBENSGESCHICHTEN und ANSICHTEN
eines Christen

Mein wundersamer Weg auf eine Bibelschule (1987)


Ich war gescheitert! Nach acht Monaten hatte ich auf Anraten meiner Arbeitgeber gekündigt und stand nun quasi vor dem "Nichts". Ohne Anerkennungsjahr galt mein Sozialpädagogikstudium als nicht abgeschlossen.  Gewiss, ich hätte nicht kündigen müssen, trotz der schweren Differenzen mit der Jugendclubleitung, und hatte auch jetzt noch die Chance, das Anerkennungsjahr in einer anderen Einrichtung binnen zwei Jahren zu wiederholen. Aber wollte ich das? Oder besser gefragt: War das mein Weg?                                                                                   

Seit meiner Bekehrung zum christlichen Glauben im Jahre 1985 war ich überzeugt, dass es den richtigen Weg für mich gab. Das ich ihn nur herausfinden musste und dabei darauf vertrauen konnte, dass er mir schon gezeigt werden würde. Dies jedenfalls versprach die Bibel: "Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, auf dem du wandeln sollst!" Und so lautete mein Gebet in jenen Tagen auch: "Herr, zeige mir den Weg, den ich wählen soll!"

Wie gewohnt suchte ich am Mittwoch abends die „Jüngerschaftsschule“ im Jesushaus auf. Man könnte es als eine Fortbildungslehrgang in Sachen Christsein verstehen. An zwölf verschiedenen Abenden wurde jeweils ein Thema durchgenommen. An diesem Tag stand der Lobpreis] auf dem Programm, in Anlehnung an das alte Jakobuswort: "Wer sich Gott naht, dem naht sich Gott!"                                                                                           
Nach einer theoretischen Einführung in das Thema folgte am Ende ein praktischer Teil. Das Leiterteam und wir Teilnehmer stellten uns in einem Rundkreis auf und die Lobpreisleitung, ausgestattet mit Akustikgitarren, begann ein christliches Lied anzustimmen. Die Lobpreisung Gottes hatte begonnen.                                                                                                                                     

Im Grunde war der Lobpreis nicht wirklich etwas Neues, geschah es doch quasi in jedem Gottesdienst. Entscheidend ist es dabei in eine Art „Flow“ zu geraten und nicht in einem routinemäßigem Absingen von Liedern stecken zu bleiben.
                                                                                                           
An diesem Abend aber war dieser „Flow“ deutlich zu spüren. Wie die meisten Anderen stand ich mit geschlossenen Augen und himmelwärts gestreckten Armen da, als ich plötzlich deutlich die leise geflüsterten Worte: „Breite Straße“ vernahm. Ich war so überrascht, dass ich augenblicklich die Augen öffnete und nach der "Wortquelle" suchte.           

Meine beiden Nebenmänner waren im Lobpreis vertieft. Ganz offensichtlich waren die Worte nicht von ihnen gekommen. Aber wer war es dann gewesen? Es blieb eigentlich nur eine Interpretation offen: Es war ein übernatürliches Reden geschehen. Aber was sollte mir damit gesagt werden? „Breite Straße, breite Straße“, überlegte ich. Mir fiel ein Bibelvers ein: „Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführt; und ihrer sind viele, die darauf wandeln.“ Ich nutzte eine kurze Stille zwischen zwei Liedern und sprach den Vers als eine "Weissagung" (Reden Gottes) in die Runde hinein.

Es wurde unkommentiert hingenommen und kurz darauf war die Lobpreiszeit auch beendet. Wenig später verließ ich das Jesushaus und fuhr mit meinem Fahrrad gleich nach Hause.


Am nächsten Tag war es nun so, dass ich zu einem Gespräch im Jugendamt verabredet war. Als ich das große Wilhelm-Marx-Haus betrat, warf ich zwecks Raumsuche einen Blick auf die riesige, im Foyer angebrachte Hinweistafel. Ich hatte die gesuchte Zimmernummer gerade gefunden, als mir plötzlich auffiel, dass auf der Glasscheibe ein Zettel angebracht war. Ich las erstaunt mit ungläubigen Augen: „Wir sind umgezogen in die Breite Straße!“ Natürlich fiel mir sofort wieder die das übernatürliche Reden vom Vorabend wieder ein. "Breite Straße" Die gehörten Worte standen nun plötzlich geschrieben da.                           

Nachdem ich mich von der ersten Überraschung erholt hatte, schaute ich, wer denn umgezogen war. Das Bafögamt! Ein neuerliche Überraschung! „Was soll das?“, dachte ich. „Soll ich etwa auf eine Bibelschule gehen?“ Ich hatte nämlich einmal gehört, dass es eine gäbe, die bafögmäßig gefördert wurde. „Aber das ist doch Blödsinn! Ich bin doch schon über dreißig und mit Sicherheit nicht mehr BAföG-berechtigt.“ Andererseits, ein solcher Zufall! Das musste eine Bedeutung haben! Noch ganz in Gedanken machte ich mich auf den Weg zu meinem verabredeten Termin.

Vier Tage später schaute ich aus meinem Zimmerfenster. Es goss draußen in Strömen. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen an diesem Vormittag das Bafög-Amt in der Breite Straße" aufzusuchen. Aber beinahe schien es so als ob sich der Himmel gegen mich verschworen hätte.

 Wieder kamen mir die Zweifel. War das mit der Bibelschule nicht einfach eine dumme, nicht realisierbare Idee? Ein Luftschloss? Gewiss, da war diese seltsame Geschichte mit dem übernatürlichen Reden und dem Zettel auf der Hinweistafel, was mir einen Fingerzeig in Richtung Bafög-Amt zu geben schien. Aber dagegen standen die einfachen gesetzlichen Fakten. Wenn eine Bibelschule überhaupt gefördert wurde, so war ich für eine solche Förderung auf jeden Fall zu alt. Mal ganz abgesehen davon, dass ich auch während meines ersten Studiums kein Bafög erhalten hatte.

Eine Weile rang ich mit mir. Dann traf ich eine Entscheidung: Gut, ich werde bis 11 Uhr warten. Wenn es dann nicht aufgehört hat zu regnen, vergesse ich die ganze Angelegenheit. Gegen 10.50 Uhr schaute ich erneut aus dem Fenster. Nach wie vor goss es in Strömen. Innerlich begann ich mich schon darauf einzustellen, meinen Bibelschultraum abzuhaken. 10.58 Uhr. Nach wie vor goss es in Strömen. OK, dass war es dann wohl, dachte ich leicht enttäuscht. Es war halt eine alberne Idee gewesen.

Als ich aber sicherheitshalber Punkt 11 Uhr noch einmal aus dem Fenster schaute, glaubte ich für einen Moment meinen Augen nicht zu trauen. Es hatte komplett aufgehört zu regnen, wie als wenn jemand den Regenhahn zugedreht hätte. Das gibt es nicht! dachte ich. Und wusste doch im gleichen Augenblick, dass dies kein Zufall war. Wenige Minuten später verließ ich meine Wohnung und machte mich auf den Weg in die „Breite Straße“.

Die Sekretärin im Bafög-Amt schaute mich erstaunt an. „Eine bafög-geförderte Bibelschule? Moment, ich schaue am besten einfach mal nach.“ Sie holte einen Aktenordner aus dem Schrank, setzte sich und begann darin zu blättern. „Ah, hier“, sagte sie und blickte freundlich zu mir hoch. „Es gibt tatsächlich zwei Bibelschulen, die als förderungswürdig gelten. Eine ist in Erzhausen und die andere in Wolfenbüttel.“                   

Also doch!,
dachte ich. Aber an sich war dies ja auch das geringere Problem gewesen. „Ja“, sagte ich, „aber vielleicht bin ich ja schon etwas zu alt für Bafög. Immerhin bin ich ja schon dreißig!“ Sie schien für einen kurzen Moment nachzudenken. Dann entgegnete sie: „Wissen Sie was? Ich gebe ihnen einfach mal ein Antragsformular mit und Sie bringen es mir dann nächste Woche ausgefüllt zurück. Dann können wir ja weitersehen!“
Als ich wenig später wieder draußen auf dem Gehweg befand, dachte ich: Eigentlich ist es besser gelaufen als gedacht. Die Sache scheint tatsächlich nicht ganz aussichtslos zu sein. Den Rest des Weges ließ ich einer "Tagtraumerei" freien Lauf.

Ein paar Tage später reichte ich einen warf ich einen Förderungsantrag für eine theologische Ausbildung an der „Bibelschule Beröa“ in Erzhausen in den Briefkasten des Bafög-Amts. Das Weitere lag nun nicht mehr in meinen Händen. Es begann eine Zeit des Wartens

 Nach etwa zwei Woche erhielt ich dann ein Antwortschreiben. Angespannt überflog die Zeilen bis zu : „... lade ich Sie zu einem klärenden Gespräch ein“. Unterschrieben vom Amtsleiter des Bafögamtes. Ich atmete erleichtert durch. Mein Traum war also noch nicht zu Ende. In den darauf folgendenTagen fragte ich mich manchmal, wieso ich keinen ablehnenden Bescheid erhalten hatte. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich als Dreißigjähriger noch Bafög erhalten könnte. Andererseits sagte ich mir: Die Sache hat übernatürlich begonnen und Gott macht bestimmt keine „halben Sachen“. 

Dann endlich war es soweit. Mit gespannter Zuversicht machte ich mich auf den Weg zum klärenden Gespräch im Bafög-Amt. Wie würde es wohl ausgehen? Barfuß oder Lackschuh? Als ich wenig später die Amtstube betrat, begrüßte mich ein kleiner, etwa 50jähriger Mann mit Handschlag und wies auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch: "Nehmen Sie doch bitte Platz!" Mein Gegenüber kam schnell zur Sache: „Herr ..., ich will nicht lange drum herumreden. Ich habe Ihren Antrag geprüft und es besteht eine Möglichkeit, dass wir Sie fördern!“ Das hörte sich gut an. Ich entgegnete: „Obwohl ich schon dreißig bin?“ Er lächelte: „Nicht obwohl, sondern weil sie dreißig Jahre alt sind!“ Ich schaute ihn erstaunt an.        

Er erklärte mir, dass es eine Regelung für die Förderung von Studiumsabbrecher gäbe: „Bedingung ist, dass der Antragsteller in seinem ersten Studium nicht bafögmäßig gefördert worden ist und dass er dreißig Jahre alt ist. Und zwar exakt dreißig Jahre alt!“ Er lächelte: „Beide Bedingungen erfüllen Sie. Wären Sie ein halbes Jahr später gekommen, also mit 31, würde diese Ausnahmeregelung nicht mehr für Sie gelten.“  

Ich war sprachlos. Welch ein Glück! „Allerdings“, fuhr mein Gegenüber fort, „müssten Sie mich noch überzeugen, dass die Gründe für die Nichtbeendigung ihres Studiums schwerwiegend genug sind! Denn nur dann kann ich Ihrem Antrag zustimmen!“ Er schwieg und schaute mich erwartungsvoll an.
                                                                                                          

Ich begriff, dass ich jetzt eine einmalige Chance erhalten hatte. Einen kurzen Augenblick sammelte ich meine Gedanken. Dann begann ich zu erzählen von meinen Schwierigkeiten in meinem Anerkennungsjahr, die letztendlich zum Bruch mit der Leitung des Jugendclubs geführt hatte. „Sie sehen“, sagte ich,“ dass am Ende mein Glaube und die Arbeit unvereinbar waren. Es ging einfach nicht mehr!“                                       

Er hatte seine Hände während meines Erzählens wie zum Gebet gefaltet unter seinem Kinn gehalten. In dieser Pose verharrte er auch jetzt noch einen Moment. Seine Miene verriet keine Regung. Dann plötzlich senkte er dir Hände, lächelte mich freundlich an und sagte dann: „Sie haben mich überzeugt! Wir werden ihre theologische Ausbildung bafögmäßíg fördern. Die ersten beiden Jahre ohne, das dritte Jahr mit Rückforderung. Aber erst wenn Sie in Lohn und Brot sind!“ Er stand auf, reichte mir die Hand und sagte: „Alles Gute auf Ihrem weiteren Lebensweg."                     

Als ich wieder zuhause war, konnte ich mein Glück nicht fassen. Das schier „Unmögliche“ war wahr geworden. Mir war - trotz meines Alters - tatsächlich für drei Jahre Bibelschule das Bafög gewährt worden. Ein echtes Wunder, besonders wenn man bedenkt, dass alles mit jenem rätselhaftem Wort „Breite Straße“ während der Lobpreiszeit begonnen hatte.


In der Folge bedurfte es aber noch eines weiteren Wunders. Der Pastor des Jesushauses hatte „zufällig“ in der Nähe der Bibelschule zu tun und schlug mir vor, dass ich ihn ja begleiten und meinen Antrag persönlich an der Bibelschule abgeben könnte. Eine glückliche Fügung, wie sich noch herausstellen sollte. Als ich nämlich gerade den Antrag im Sekretariat der Bibelschule abgeben wollte, kam „zufällig“ der Bibelschuldirektor zur Tür herein. Nach einem kurzen erstaunten Blick begrüßte er meinen Pastor wie einen alten Bekannten und fragte ihn nach dem Grund seines Besuches. Der verwies auf mich und mein Anliegen und so landete ich wenig später zu einem Gespräch im Büro des Direktors.                                 

Natürlich erzählte ich ihm die ganze Geschichte der wundersamen Bewilligung meines Bafögs, was den Direktor aber nicht sonderlich zu beeindrucken schien: „Sehen Sie mal hier,“ sagte er, zog eine Schreibtischschublade auf und holte einen Stapel Blätter hervor. Dann legte er sie auf den Tisch: „Das sind über dreißig Bewerbungen für das neu beginnende Schuljahr. Aber ich habe nur noch zwei Plätze zu vergeben.“ Ich erschrak                                                                         
Der Direktor legte die Anträge wieder in die Schublade zurück und lehnte sich in seinem Sessel zurück „Ich bewillige Ihren Antrag nur aus einem einzigen Grund. Nicht wegen ihrer tollen „Wundergeschichte" sondern einzig und alleine, weil Ihr Pastor sich die Mühe gemacht hat Sie persönlich hierher zu fahren. Ansonsten hätten Sie den Platz nicht bekommen.“ Er lächelte: „Danken Sie Ihrem Pastor ... und Gott, der diesen Umstand wohl so gefügt hat.“

So kam es dann, dass ich etwa acht Wochen später in ein Dreibettzimmer auf der Bibelschule Beröa ( Erzhausen/ Nähe Darmstadt) einzog. Ein völlig neuer Lebensabschnitt begann, von dem ich dann vielleicht an anderer Stelle erzählen werde.

 ENDE

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