Das Licht auf dem Berge
Das Licht auf dem Berge
(1986)
(Eine wahre Begebenheit)
„Aber du musst doch auch einmal sehen, was die Kirche und die Christen in den letzten 2000 Jahren alles verbrochen haben. Das kann man doch nicht einfach ignorieren!“, sagte Anke mit vorwurfsvoller Stimme und einem leicht empörten Gesichtsausdruck.
„Ja, du hast ja recht!“, lenkte ich ein. „Aber man sollte auch nicht das Gute übersehen, was von der Kirche und den Christen ausgegangen ist. Im Übrigen ist der Glaube an Gott erst einmal eine ganz persönliche Angelegenheit!“
Wieder einmal saß ich bei Anke und Dietmar im Wohnzimmer und versuchte sie von der Richtigkeit des Glaubens zu überzeugen. Was bei ihnen unterschiedliche Reaktionen hervorrief. Während Dietmar grundsätzlich, wenn auch ohne persönliche Konsequenzen, an die Existenz Gottes glaubte und sich ziemlich neutral verhielt, hatte Anke von Anfang an eine Art Frontalopposition eingenommen.
Nichts von dem, was ich sagte, hatte bislang vor ihrem ablehnenden, teilweise vernichtenden Urteil Gnade gefunden. Und vermutlich war es nur unserer langjährigen Freundschaft geschuldet, dass sie mir überhaupt noch bei diesem Thema zuhörte.
Ich hatte beide über das Schachspielen kennengelernt und war eine Zeitlang fast täglich bei ihnen ein- und ausgegangen. Dann aber geriet ich in jene tiefe Sinn- und Lebenskrise, die letztlich im Juni 1985 zu meiner Hinwendung zum christlichen Glauben geführt hatte.
In jenen Monaten hatte ich sie nur noch sporadisch besucht, dann aber nach meiner Bekehrung wieder meine regelmäßigen Besuche, diesmal aber im 2-3 Wochenrhythmus wieder aufgenommen. Natürlich schon mit dem Hintergedanken, sie von der Richtigkeit des christlichen Glaubens zu überzeugen. „Zu missionieren“, wie ich damals gesagt hätte.
Okay, sagte ich zu mir selber, das ist heute das letzte Mal. Danach werde ich sie in Ruhe lassen! Und so holte ich aus, ihnen noch einmal grundsätzlich meine Position und Argumente darzulegen.
Und als wenn sich plötzlich der Wind gedreht hätte, war in der Folge nicht mehr der geringste Widerstand zu spüren. Und nicht nur, dass sie klug nachfragte, sie schloss auch bemerkenswerte Folgerungen as dem gesagten. Auf einmal schien sie alles zu verstehen und anzunehmen, was ich sagte. Ich konnte es einfach nicht fassen!
Wenn Dietmar diese Wandlung Annes ebenfalls irritiert haben sollte, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Etwa gegen 23 Uhr zog er sich mit den Worten: „Ich bin müde und leg mich jetzt Schlafen! Aber ihr könnt ja ruhig noch weiter diskutieren“, ins Schlafzimmer zurück. Ein Vorgang, der nicht ungewöhnlich war, denn er war berufstätig und musste am nächsten Morgen zur Arbeit. So blieben Anke und ich also alleine im Wohnzimmer zurück.
Während sie also nun mit der Plattenwahl beschäftigt war und ich mir im Zimmer die Beine vertrat, vernahm ich auf einmal recht deutlich eine innere Stimme: Frag sie, ob sie sich nicht zum Glauben bekehren möchte!
Ich war erst völlig überrascht, dann zutiefst erschrocken. Mit jemanden über den Glauben zu diskutieren ist eine Sache, ihn oder sie aber zur Bekehrung aufzufordern, eine andere. Sie wird sich vielleicht bedrängt fühlen, dachte ich, und womöglich heftig reagieren! Ich zögerte.
Andererseits hatte ich aber die innere Stimme deutlich vernommen. Um dies zu leugnen, hätte ich mich schon selber belügen müssen. Schließlich ging ich zu ihr hinüber und sagte so beiläufig wie möglich:„Anke, darf ich dir mal eine Frage stellen?“ Sie blickte überrascht von ihren Platten hoch und sagte: „Ja, worum geht`s?“
Nun gab es kein Zurück mehr. Ich überwand meine Furcht und fragte sie ganz behutsam: „Anke, möchtest du dein Leben nicht Jesus übergeben?“
„Ach“, entgegnete ich. „das macht nun wirklich nichts! Als ich mein Leben Jesus übergeben habe, wusste ich auch nicht allzu viel darüber. Entscheidend ist nur, dass man es will. Der Rest ergibt sich dann schon.“ Sie schaute erst noch skeptisch vor sich hin, aber nach einigem guten Zureden willigte sie schließlich ein. „Okay“, sagte ich, „dann lass uns gemeinsam beten!“
Kurz darauf begann ich dann selber zu beten und dankte Gott, dass Anke nun tatsächlich den Weg zum Glauben gefunden hatte. Und dass Er sie nun auch auf ihrem weiteren Lebensweg leiten und beschützen möge.
Während ich so betete, kam mir plötzlich ein Gedanke in den Sinn. Ich überlegte kurz, ob ich ihn aussprechen sollte. Dann aber tat ich es: „Anke, Jesus sagt zu dir: Ich bin das Licht auf dem Berge!“
Ich hatte die Augen geöffnet, als ich sie ansprach und sah nun, dass sie ihre Augen jetzt ebenfalls öffnete. Sie blickte mich völlig erstaunt an und sagte dann:„Weißt Du, Heiner, was ich gerade erlebt habe?“ Ich schaute sie fragend an.
„Als du betetest, sah ich vor meinem inneren Auge auf einmal einen im Halbdunkel liegenden Berghang. Man könnte eine Wiese und Bäume erahnen, aber nichts Genaues erkennen. Mit einem Mal erschien auf der Bergkuppe ein unwahrscheinlich helles Licht und begann schlagartig den ganzen Berghang zu erleuchten.“
Sie machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: „Und gerade als ich mich fragte, was dies denn für ein Licht sei, sagtest du, Jesus sagt zu dir: Ich bin das Licht auf dem Berge!“
Mir fiel ein Satz ein, den ich irgendwo einmal aufgeschnappt hatte: Wenn wir uns einen Schritt auf Gott zubewegen, kommt er uns mit einem Riesenschritt entgegen! Ich sprach ihn aus. Anke lächelte zustimmend.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, verspürte ich ein seltsam stechendes Gefühl in der Magengegend. Als wenn jemand in meinen Eingeweiden herumgewühlt hätte. Da bin ich gestern Nacht wohl irgendwie an meine Grenzen gestoßen, dachte ich. Es war ja auch eine recht „schwere Geburt“ gewesen.
Auf einmal kam mir ein anderer Gedanke: Ob sie jetzt am Morgen die Sache noch genauso sehen wird wie gestern Nacht? Oder doch vielleicht einen Rückzieher machen wird? Ich war mir nicht sicher.
Als sie wenig später ins Wohnzimmer kam, strahlte sie mich an: „Guten Morgen, Heiner! Hast du gut geschlafen?“ „Geht so“, entgegnete ich, „fühle mich aber noch etwas schlapp.“ "Weißt du, was ich heute Morgen als erstes zu Dietmar gesagt habe?“ Ich schaute sie fragend an. Sie lächelte: "Ich habe zu ihm gesagt: Ich bin jetzt auch ein Kind Gottes!"
Ich war bass erstaunt wegen ihrer Wortwahl. Meiner Ansicht nach hatte ich den Begriff Kind Gottes, obwohl er biblisch ist, ihr gegenüber nie erwähnt: "Und“, fragte ich, “wie hat er reagiert?"
"Ach, er hat mich erst mit großen Augen angeschaut und dann gesagt: „Na, das ist doch schön. Gratuliere!" Sie lachte: "Komm, wir gehen in die Küche! Erst einmal etwas frühstücken!"
Ja, und hier endet diese kleine wahre Geschichte. Anke schloss sich einige Zeit später einer Baptistengemeinde an und ist, soviel ich weiß, auch heute noch gläubig.
Ende